Verteilte Schnapsleichen auf dem Boden… die Party-Deko noch überall dort verstreut, wo die Meute sie in der letzten Nacht hinterlassen hat… und mitten in diesem ganzen Chaos‘ Viktor Stein, der noch relativ lebendig ins Taschentuch rotzt, um seine vom Koks verätzte Nase von Blut zu befreien, und dabei leicht angegeilt den Werbefilm seiner Firma auf dem Bildschirm vor sich anschaut. „Wir stehen für Sicherheit, Kontinuität und Vertrauen“ , verspricht der Viktor im Clip seinen Zuschauern, während parallel in der echten Welt schon das SEK seine protzige Millionen-Villa stürmt…
… und dann CUT und schon springen wir quasi an das Ende der Geschichte. Zum tiefen Fall des Viktor Stein, der sich vom kleinen Provinz-Jungen nach ganz oben gegaunert hat und letztlich umso tiefer gefallen ist. „Korruption, Geldwäsche, Steuerhinterziehung, Sozialversicherungs- und Kreditbetrug“, schmettert eine Journalistin, der Viktor seine Lebensgeschichte erzählt, um die Ohren.
Ja, die Liste der Verbrechen, mit der man in der neuen deutschen Netflix-Originalproduktion „Betonrausch“ konfrontiert wird, hört kaum auf. Und es klingt nach dem Stoff, aus dem echte Hollywood-Streifen gemacht sind. 😜 Und tatsächlich… irgendwie dämmert’s da doch direkt.
Stichwort: „The Wolf of Wall Street“. Man tausche nur einfach die New Yorker Börse gegen die Berliner Immobilienblase und Aktien gegen Wohnungen, mit denen gemauschelt wird, und schon haben wir den Plot zusammengefasst. Nur, dass einem „Betonrausch“ irgendwie wie eine seichte Version von „Wolf of Wall Street“ vorkommt – mit nicht ganz so viel Pfiff.
„Betonrausch“ auf Netflix? Kann man machen
Denn ja, vieles ist gelungen, Abzüge in der B-Note gibt’s aber trotzdem. Denn eigentlich wird das Ende vom Film bereits in den ersten fünf Minuten vorweggenommen und der Zuschauer erfährt, dass das ganze Lügenkonstrukt letztlich zerbricht. Und auch wenn man dank der einzelnen Rückblenden (man springt quasi immer zwischen dem Gespräch von Viktor und der Journalistin und der Vergangenheit hin und her) die einzelnen Kapitel neu aufarbeitet, ist die Spannung irgendwie dahin. Er scheitert halt eh... schwingt beim Gucken durchweg im Kopf mit.
Man kann an dieser Stelle also nur von Glück reden, dass wenigstens die Schauspieler wirklich cool abliefern. Ohne die hätte der Film nämlich definitiv verloren… David Kross als Viktor mit seinem Perfekter-Schwiegersohn-Zahnpastalächeln ist einfach überragend und zu Frederick Lau als Gerry, Viktors Gauner-Compagnon für die schrägen Geschäfte, muss man eigentlich gar nichts sagen. Den muss man gesehen haben. 😆
Doch nur so viel vorweg: Er hat seiner Figur – liebender Familienvater am Tage und Kokser und Bordell-Gänger bei Nacht (seine Stamm-Nutte wird übrigens gespielt von Sophia Thomalla, die das mit dem Berlinern aber bitte nochmal üben sollte, nur ganz by the way 😅) – das richtige Herzblut eingeheimst.
Jup, er und David harmonieren auf der Leinwand in ihren Rollen einfach perfekt. Fast so ein Traum-Duo wie Leonardo DiCaprio und Brad Pitt es sind – nur in der deutschen Variante halt. 😬 Obwohl… eigentlich müssen wir aus Duo ja ein Trio machen… denn Viktor und Gerry haben ihren Immobilienbetrug nicht alleine durchgezogen. Nope: die korrupte Bankangestellte Nicole (Janina Uhse) und später Viktors Frau, hat mit dringesteckt.
Aber alles will ich nun natürlich auch nicht spoilern und komm an dieser Stelle lieber zum Schluss. Also: „Betonrausch“ gucken? Ja oder nein? Ich sag’s mal so: Wäre Corona gerade nicht allgegenwärtig, hätte ich wahrscheinlich gesagt: Kann man machen, muss man aber nicht.
Doch unter gegebenem Anlass (und weil wir bald sicher alle Netflix durchgesuchtet haben, haha 😆): definitiv JA! Erstens, weil wir gerade doch eh alle nichts Besseres zu tun haben. Und zweitens, unterhaltend ist dieser Film allemal… auch wenn er nicht an seinen Zwilling „Wolf of Wall Street“ rankommt, das muss man ganz klar sagen. Und trotzdem, einen trostlosen Freitagabend rettet dieser Netflix-Streifen definitiv. 😜 Also viel Spaß beim Streamen.
Und hier kommt noch der Trailer zu „Betonrausch“: