Die allerneueste Designerhandtasche, klobige Trekkingschuhe oder exotische Turbane – was Frauen „to die for“ finden, macht Männer oft ratlos. In unserer Kolumne erzählen Männer (zu ihrem eigenen Schutz anonym), wie es ist, mit einer Modebesessenen zusammen zu leben.
Sie war gerade aufgestanden. Hatte sich ein weißes Hemd geschnappt, das über dem Stuhl hing und es mit ein paar Knöpfen geschlossen. Ihr Haar war noch zerwühlt von der Nacht. Da stand sie. Mit nichts am Körper, außer diesem Hemd. So schön. So verdammt sexy. Ihr Name? Cindy Crawford. Ich? Gerade 16 geworden. Ich werde dieses Bild niemals vergessen. Dieses Bild war ein Poster und hing in meinem Schrank. Es war nur für mich.
Meine Frau sieht heute ein bisschen aus wie sie. Die Haare hat sie sich im Bad eine gefühlte Stunde lang so zurechtgelegt, dass es aussieht, wie heute Morgen, als sie neben mir aufgewacht ist. Und dieses weiße Männerhemd trägt sie auch. Knapp, krass kurz. „Fertig!“, sagt sie und greift nach ihrer Tasche. „Sollen wir einkaufen gehen?“
Cindy wär wieder zu mir ins Bett gekommen. Meine Frau will zum Bäcker. Nur im Hemd, mit Handtasche und Herrenschuhen. Ich bin sprachlos. Frage aber trotzdem, ob sie nicht was vergessen hat. Noch bevor sie mich mit ihrem bösesten Blick abstraft, schießen mir neue Fragen durch den Kopf. Ob sie absichtlich keine Hose anhat? Ob sie wenigstens einen Slip trägt? Ob sie völlig übergeschnappt ist? Mir wird klar: Jederman(n) wird sich diese Fragen stellen, der sie so sieht. Ich weiß es, ich bin ja einer. Kein Spießer oder Sittenwächter, kein Moralapostel und auch kein Macho. Ich bin ein Mann mit einer Frau in einer zu langen Bluse, die keine Hose trägt.
„Das ist Alexander Wang“, sagt sie trotzig und kontrolliert sich im Spiegel. Aber die City ist kein Catwalk und meine Frau keine Cindy. Es gibt Kleidungsstücke, die sind nicht für die Straße gemacht. Sondern für Poster – und fürs Bett.