Es ist zweifellos eines der beschissensten Gefühle überhaupt: nicht zu verstehen, warum sich eine Person, die man gerade angefangen hat zu mögen, plötzlich zurückzieht. Da lernt man jemanden kennen, trifft sich regelmäßig, gewöhnt sich daran, denjenigen in einen Teil seines Alltags zu lassen, vielleicht schläft man miteinander – ist psychisch und physisch intim. Und auf einmal wird sie weniger, die Nachricht, die einem einen erfolgreichen Tag oder eine gute Nacht wünscht, oder die Nachfrage, wann man sich das nächste Mal wiedersieht. Immer und immer weniger, bis sie einfach gar nicht mehr da ist. Oder es passiert von jetzt auf gleich, gestern noch gevögelt, heute geghosted.
Gaslighting, Ghosting, Benching, Caspering, bla bla, es gibt zig Bezeichnungen für diese Neuzeit-Phänomene, die Konsequenz ist jedoch bei allen gleich. Und eigentlich müsste man doch meinen, dass einen ein Smartphone nicht in eine Krise stürzen sollte – ist aber halt so. War der Sex schlecht? Hab ich etwas Falsches gesagt? Spannt ihn vielleicht gerade wirklich nur die Arbeit so sehr ein, dass er keinen Kopf dafür hat? Ist es nicht normal, dass der Texting-Verkehr mit der Zeit abnimmt? Hat er eine andere kennengelernt?
Es ist purer Mindfuck. Die Zahnrädchen im Kopf fangen an, sich zu drehen, Chats werden durchgestöbert, es wird nach eigenem Fehlverhalten gesucht, die Freundinnen werden zur Krisen-Analyse mit eingeschaltet, das Social-Media-Verhalten des anderen wird seziert – alles nur, um eine Antwort auf die Frage zu bekommen: Warum schreibt er mir nicht mehr?
Sometimes you just need closure. Das weiß ich genau, weil auch mir das schon passiert ist. Und trotzdem hab ich’s bei ein paar Männern selbst schon abgezogen. Schande über mein Haupt, ehrlich. Sowas macht man einfach nicht – gerade, wenn man doch selbst weiß, wie mies es ist, auf der ungewissen Seite zu stehen. An dieser Stelle also: Notiz an mich selbst – Anni, hör auf mit dem Scheiß.
So, und weil man sich selbst entweder nicht traut, nachträglich zu fragen, was die Gründe für den Rückzug waren oder aber auch (und das ist die bessere Variante), weil einem die eigene Zeit einfach zu schade ist, hab ich ein paar meiner Jungs rekrutiert, um die Frage für euch zu beantworten. Küsse eure Augen. ❤️ Moralpredigt kommt am Ende.
Warum Männer plötzlich aufhören, einer Frau zu schreiben
1. „Ich habe eine Frau mal geghosted, weil sie mir viel zu schnell viel zu viel Druck gemacht hat. Ich habe vorher ein paar Mal versucht das zu adressieren, aber leider ohne jeglichen Erfolg. Im Gegenteil: Je mehr ich auf die Bremse gedrückt habe, desto mehr hat sie aufs Gas gedrückt. Ich hatte von Anfang an sehr deutlich kommuniziert, dass ich nicht an einer Beziehung interessiert bin und fand mich plötzlich in eifersüchtigen Nachrichtenverläufen mit Fragen und Vorwürfen in Großbuchstaben wieder. Ich habe tatsächlich damit gehadert es durchzuziehen, weil ich es per se sehr unhöflich finde, jemanden einfach so aus seinem Leben zu schubsen. Auf der anderen Seite hatte ich aber auch ziemlich die Faxen dicke und habe es nicht eingesehen, warum ich noch mehr Diskussionen führen sollte. Bereuen tue ich es nicht. Ich glaube, ich würde es heute (5 Jahre später) wieder so machen.“
2. „Das mache ich meist nur dann, wenn’s mir nur um den Sex ging. Wenn er schlecht war, blieb es bei einem Mal, oder es bot sich bei meinem Fuckbuddy einfach nicht mehr an, sie regelmäßig zu sehen, und dann ging der Kontakt verloren. Oder aber ich habe eine andere Frau kennengelernt.“
3. „Für mich gibt es da zwei Ausgangspunkte: Entweder man hat sich schon mal getroffen, egal ob es ein anständiges Treffen tagsüber war oder locker luftig nach 20:00 Uhr „auf ein Weinchen“ (🛏), oder man hat nur geschrieben, entweder über online Dating-Apps oder fortgeschritten bei WhatsApp mit schon semi persönlichen Audio-Messages. Bei den ersten Szenarien lag für mich das Beenden des Schreibens eher daran, dass ich mich momentan nicht in einer Beziehung sehe oder – Hand aufs Herz – keine Frau mich so geflasht hat, dass ich mehr wollte als Sex oder einen Alsterspaziergang. Ich hatte jetzt zum Glück noch keine Catfish-Momente und war auch nie getrieben genug, einen Morgen danach etwas zu bereuen, aber ich bin mir sicher, dass das meine aktuelle Lebensphase ist. Ich fand so gut wie alle Frauen toll und über einige würde ich in ein paar Jahren auch anders denken und definitiv auch ambitionierter sein, sie richtig kennenzulernen.
Das zweite Szenario endete entweder aus dem gleichen Grund, dass ich nicht genug geflasht war, oder man nach einigen Nachrichten oder Bildanalysen aus oberflächlichen Gründen doch nicht mehr so fasziniert war oder die Ansichten nicht sympathisch waren – selbst für Sex sollte da ja schon was sein. Oder es hat sich einfach stark verlaufen durch diesen „Wald vor lauter Bäumen“-Aspekt, der vielen ja im Weg steht, vielleicht doch tolle Bekanntschaften machen zu können. Ab und zu wirkte mir WhatsApp auch schon viel zu persönlich. Am liebsten habe ich mich für unverbindlichen und freundschaftlichen Sex mit Frauen getroffen, mit denen es spontan war und man noch nicht so lange geschrieben hat, sonst kamen irgendwann beidseitige Erwartungen ins Spiel, und das passt mir gerade nicht so und ist mir fast zu „deep““.
4. „Bei mir war eigentlich alles schon dabei: Nicht mehr gemeldet, weil mir ihr Humor nicht gepasst, weil sie komisch gerochen hat oder weil die Wohnung total asozial war (auch ein absolutes Ausschlusskriterium). Oder ihr Hund war ein kleiner Scheißköter und hat der Frau die ganze Zeit im Gesicht rumgeleckt (sie hat es immer zugelassen 🤢). Der Grund war aber auch schon, dass ich gerade selbst eine persönliche Krise hatte und ich mich nicht auf sie einlassen konnte, selbst wenn ich wollte. Dann ghoste ich lieber, weil ich ich denke, dass das für sie angenehmer ist als von dem eigentlich Grund zu erfahren.“
5. „Schwierige Frage, zu der es keine eindeutige Antwort gibt. Es ist in erster Linie entscheidend, in was für einer Lebenslage ich mich befinde. Wenn man lange Single ist, was ich persönlich noch nicht war, glaube ich, dass man relativ streng selektiert und sobald man merkt, dass sie nicht die Richtige ist, hat man nicht mehr das Verlangen zu schreiben. In meinem Fall als frischer Single ist es eher etwas anderes – zum Beispiel der Druck ihrerseits, weil sie eine andere Intention antreibt als mich. Ich brauche Zeit für mich und sie ist vielleicht gerade bereit, sich zu binden. Für mich ist das der absolute „Interessenkiller“, wenn es ihr nicht passt, dass ich mich 2-3 Tage nicht melde und ich mich dadurch unter Druck gesetzt fühle.“
6. „Das hatte bei mir in der Vergangenheit schon sämtliche Gründe. Schlechter Sex ist dafür auf jeden Fall nie der alleinige Grund! Das kann ich ausschließen. Wenn, dann war ich eh schon nicht so umgehauen von der Frau und der schlechte Sex war dann der letzte Tropfen, der das Fass voll gemacht hat. Oder sie hat zusätzlich dann auch noch alle 5 Minuten eine WhatsApp geschickt – das nervt nur dann, wenn man sich bei der Frau eh unsicher ist. Und oft ist es so, dass man eine andere kennenlernt, die einem hundertmal interessanter erscheint. Auch ein häufiger Grund: Dass ich tatsächlich gerade so sehr mit mir selbst zu kämpfen habe, dass ich keine Kapazität habe, um der anderen Person gerecht zu werden. In solchen Phasen weiß man ja selbst gar nicht, was genau man will und wie man dann am besten fortfährt. Und nach meiner Erfahrung wird einem das leider von Frauen oft nicht geglaubt, wenn man das ehrlich so kommuniziert.“
7. „Also ein paar Dinge: 1. Ich kann Ghosting nicht leiden, finde ich super unnötig und disrespektvoll, egal von welcher Seite (wobei das nicht immer so war, man lernt dazu.) 2. Wenn ich früher jemanden geghosted habe, dann nur aus einem Grund, nämlich, weil es sich angefühlt hat, einer Person hinterherzulaufen. Es gibt nichts Anstrengenderes als immer und immer wieder das Gespräch zu führen und so das Gefühl zu bekommen, dass von der anderen Seite wenig Interesse besteht. Dann lieber einfach aufhören zu schreiben. Deswegen: Seid respektvoll zueinander und wenn ihr keine Lust mehr auf jemanden habt, sagt es der Person! Es ist schädlicher zu ghosten oder geghosted zu werden als eine Abfuhr zu geben oder zu bekommen.“
_____
Und jetzt geb ich auch noch eben meinen Senf dazu ab: Wie wir sehen, kann es etliche Gründe haben, warum der Kontakt plötzlich stillsteht. Manche mögen banal sein, manche triftig. Im Endeffekt wählt man die „stille“ Route aber hauptsächlich aus einem Grund: Egoismus. Ja, ist so. Selbst die Aussage „Ich verschone sie lieber vor dem wahren Grund und ghoste sie stattdessen, damit sie nicht noch mehr verletzt wird“ ist in Wahrheit getarnter Egoismus – hier geht’s nicht darum, die andere Person nicht verletzten zu wollen, sondern darum, nicht die Person zu sein, die eine andere verletzt. Weil das eigene Gefühl dadurch ein schlechtes ist.
Wenn man sich kaum kennt und die persönliche Verbindung erst in den Kinderschuhen steckte, finde ich nicht, dass man der anderen Person einen kompletten Essay über seine Beweggründe des Kontaktabbruchs schuldig ist. Steht man sich allerdings schon näher, sollte man zumindest irgendetwas verlauten lassen. Ob man dann gnadenlos ehrlich kommuniziert, was der genaue Beweggrund dafür ist, oder ob man einfach ganz vorsichtig anschneidet, dass es eben einfach nicht passt, kann man dann immer noch abwägen.
Damit machen wir doch unser aller Leben leichter, right?
Also – merken!
Und ich geh mich jetzt mal bei ein paar Menschen entschuldigen.