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Es ist eine Premiere: Der allererste Porno in Spielfilmlänge kommt ins Kino – meine Review

Es ist kein großes Geheimnis: Ich bin bekennender Porno-Fan. Lang lebe der Sexfilm. Ich will mir nicht vorstellen, wie ätzend es gewesen sein muss, vor zwanzig Jahren in eine Videothek wandern zu müssen, ganz unauffällig in den „Erwachsenen-Bereich“ zu verschwinden und dann ernsthaft mit ’ner DVD nach Hause zu laufen. Und was ich mir auch nicht wirklich vorstellen will: einen Porno in Übergröße mit zahlreichen Kollegen aus der Medienbranche im selben Raum zu schauen.

Warum ich das auch sollte? Ich sag euch, warum: Diesen Monat geht der erste Porno in Spielfilmlänge in die deutschen Kinos! Unzensiert. Penisse, Vaginas, Sperma, Lecken, Blasen – alles auf der großen Leinwand straight in your face. Erstmal ziemlich geile (bad jokes here we come) News!! Die Vorstellung, währenddessen möglicherweise aber neben irgendeinem *insert media*-Redakteur im Kinosaal zu sitzen, erfüllt mich doch mit leichtem Schrecken. Das ist das einzig Gute an Corona: Ich konnte mir den Film ganz ungestört im heimischen Bett reinziehen. Ohne awkward Blickkontakt zu anderen Branchen-Leuten zu riskieren.

Das erotischste Filmereignis des Jahres?
Erika Lust bring XConfessions Night auf die Leinwand

Man nennt sie ganz bescheiden „Provokateurin und Pionierin des sexpositiven Erotikfilms“Erika Lust. Die 43-jährige Schwedin, welche in Barcelona lebt und arbeitet, ist Drehbuchautorin, Regisseurin, Produzentin und Autorin, die 2004 ihre Produktionsfirma „Lust Films“ gegründet hat – eine Erotikfilm-Plattform mit feministischem Ansatz und künstlerischem Anspruch. Bedeutet: Hier dominiert nicht der männliche Blick, der die Frau objektiviert, sondern der weibliche, der dafür sorgt, dass sie ebenso auf ihre Kosten kommt wie er – Sex auf Augenhöhe eben, egal ob romantisch, verspielt, versaut oder hart.

Nun ist am 24. September 2020 der deutschlandweite Kinostart ihrer Kurzfilmreihe „XConfessions Night“ – explizit und ganze 115 Minuten lang. In anderen Worten: der längste Porno, den ich mir je angeschaut habe. Das Besondere: Lust arbeitet an diesem Projekt bereits seit 7 Jahren! Nutzer ihrer Plattform sendeten über Jahre anonym ihr persönlichen Sex-Stories ein, aka ihre Confessions (ihr könnt sie euch hier gönnen), die teilweise dann von der Produzentin verfilmt wurden. „XConfessions Night“ ist sozusagen ein Best Of jener.

„Feminist Porn“ – meine Erwartungen sind hoch.
Werden sie erfüllt?

Let’s get going. Mein Satisfyer ist gecharged, meine eigenen Akkus eher wenig, da ich gerade eine Fit-Yoga-Class hinter mir habe, bei der ich gefühlte 23 Liter schwitzte. Mal sehen also, ob mich der Kinofilm, den ich mittels Preview-Link vorliegen habe, auf Hochtouren befördern wird.

Mein persönliches Porno-Experience-Repertoire würde ich ganz gelinde gesagt mal als recht hoch einschätzen – mit „Feminist-Porn“ habe ich mich allerdings noch nie wirklich befasst. Was ich davon aber erwarten würde? Gebrochene Konventionen, z.B.: sichtbare Stellungswechsel, ausgedehnte Vorspiele, besonderer Fokus auf die Frau, Darsteller, die vom klassisch in Erotikfilmen porträtierten Schönheitsideal abweichen. Vielleicht sieht man mal nicht das rosa gebleichte A-Loch, vielleicht mal ein paar Schamhaare, vielleicht verschiedene Bodytypes und nicht nur Heterosex?

Als „XConfessions Night“ startet, stelle ich recht schnell fest, dass es nicht unbedingt die beste Entscheidung war, mich für die Originalfassung auf Englisch zu entscheiden. Die englisch eingesprochenen O-Töne sind irgendwie cringy. Nun gut. Es wird sowieso nich allzu viel gesprochen.

Die erste Confession unter dem Titel „Dear Brother in Law“ spielt sich in einer Küche ab, Kurzfassung: Ein Dude singt laut auf Italienisch (bisschen Barilla-Werbung-Vibes), während er kocht – seine Schwägerin steht unbemerkt im Raum und beobachtet ihn. Und dann Cut. Sie sitzt auf der Küchenzeile, sein Kopf ist zwischen ihren Beinen vergraben. Lecken in Full HD. Okay, denke ich, hier wird nicht lang gefackelt. Ich bin ein wenig überrumpelt, hätte mit mehr „Story“ im Voraus gerechnet. Habe aber nichts dagegen. Es folgt leidenschaftlicher, in meinen Augen sehr ästhetischer und realitätsnaher Sex mit Darstellern, die ihre Lust aufeinander auf keinen Fall spielen. Hinzu kommt der Kitzel durch den eigentliche verbotene Aspekt dieser zwischenmenschlichen Konstellation. I like. My Unterleib likes too.

Ein kleiner (aber feiner) Einblick in die Szenen😉

Kleines Live-Update: Ich husche in die Küche, um mir meine Lunch-Reste in der Mikrowelle aufzuwärmen. Ich ende mit einem warmen Salat und einem kalten Kartoffel-Auflauf. Offenbar ein bisschen durch den Wind. 😇

Nach knapp 10 Minuten ist der nächste Kurzfilm dran: Zwei Fremde schlafen in „Sex & Sensibility“ in einer mit Kerzenschein ausgeleuchteten „Hütte“ bei Nacht miteinander. Ich habe sofort einen Crush auf die beiden Darsteller. Ganz eventuell wäre ich in diesem Moment sehr gerne Teil dieser Konstellation. Meinung: Blümchensex ist toll und wird kategorisch unterschätzt! Hierzu vielleicht aber mal in einem gesonderten Artikel mehr. Ich sehe High Class Porn, der nichts mit stumpfen Dialogen und leidenschaftslosem „Rein-Raus“ zutun hat – und auch wenn das Setting zugegeben etwas kitschig anmutet, bin ich (wie er in ihr) ganz drin.

Weiter geht’s in „Come Fly With Me“ mit einer Flugstunde, nach der (ach) die Fluglehrerin ihren Schüler verführt (ich liebe seine langen Haare, oh Gott). Sex auf einer Landebahn in Mitten von Natur, angelehnt an einer kleinen Propeller-Maschine und im Anschluss in und auf einem Pick-Up.  So geht das dann feuchtfröhlich mit verschiedenen Szenarios weiter, die sich in ihrer Machart alle recht ähnlich sind: Besonderes Setting, Mann und Frau, lediglich kurze Dialoge, es kommt schnell zum Sex, der übrigens nie besonders außergewöhnliche Fetische bedient – bis auf den letzten Clip, aber dazu gleich mehr.

Ich kann an dieser Stelle sagen, dass ich an diesen Filme am heißesten finde, wie offensichtlich die Männer ihre Sexpartnerin begehren, es fast aussehen lassen wie ein heiliges Ereignis, ihr tief in die Augen schauen, sie am ganzen Körper berühren und diesen wertschätzen. Im Idealfall sollte das auch in der Realität die Norm sein. 😉

Schöner Sex? Ja. Aber sonst…?
Mir fehlt hier etwas!

Nachdem ich nun fast zwei Stunden lang am Stück Menschen beim Sex zugeschaut habe,  ist die größte Enttäuschung für mich vor allem eins: die fehlende Diversität. Meine oben genannten Erwartungen, die eben in mir hervorgerufen werden, wenn etwas als fortschrittlich/feministisch verkauft wird, werden nicht wirklich erfüllt. So schön und anspruchsvoll die Szenen auch gedreht sind, so werden sie doch nur von weißen, schlanken, „klassisch schönen“ Menschen verkörpert.

Es hätte ja nicht mal sein müssen, dass man hier die komplette Bandbreite an Vielfältigkeit abdeckt und die Diversitäts-Keule par excellence schwingt, aber wenigstens mal ein kurviger Körper? Eine Person of Color? Ein androgynerer Frauentyp? Nichts davon. Ich persönlich empfinde das als schade.

Immerhin: Im letzten Clip („Gender Bender“) wurden klassische in Pornos repräsentierten Rollen-/Genderbilder umgedreht. Eine schwarz-weiß gefilmte BDSM-Szene zeigt einen unterwürfigen, in Strapse gekleideten Mann, der von seiner Drehpartnerin mit einem Strap-On penetriert wird. Persönliche Vorliebe hin oder her, dafür gibt’s von mir großen einen Daumen nach oben.

Produzentin Erika Lust am Set

Mein Fazit: Porno im Kino? Finde ich nach wie vor geil! Schließlich schauen die meisten von uns sie doch sowieso, und dass sie trotzdem gesellschaftlich als etwas „Schmutziges“ abgetan werden, ist in meinen Augen einfach nur doppelmoralisch. Warum sie nicht also künftig mehr salonfähig machen? Generell feiere ich extrem, wenn starke Frauen eine Vision haben und mit guten Beispiel für eine offenere Gesellschaft vorangehen. Probs to you, Erika! Dass die FSK derartig freizügigen und expliziten Bildern eine Freigabe (ab 18 Jahren) erteilt hat, ist bisher einzigartig and I applaud for that. 👏🏻

Aber wie gesagt – noch fortschrittlicher hätte es sein können, wenn hier nicht nur nahezu Perfektion (whatever that means) und hauptsächlich die typisch Weiße Cis-Frau/der typisch Weiße Cis-Mann porträtiert worden wäre.

Und weil der Elefant jetzt eh im Raum steht, da ich meinen frisch geladenen Satisfyer erwähnt hatte: Nein, er kam nicht zum Einsatz. Darüber bin ich selbst etwas überrascht. Vielleicht war ich gedanklich einfach zu sehr im Arbeitskontext unterwegs, vielleicht war diese Länge und Menge an expliziten Sexthemen aber auch einfach ein Overkill für mein zentrales Nervensystem. Genervter Kitzler von zu viel Nervenkitzel, oder so.

Ich lege euch trotzdem ans Herz, euch ab dem 24. September ein Ticket für XConfessions Night zu besorgen und… es euch danach selbst zu besorgen. Hab ich dann am nächsten Morgen auch nachgeholt.

 

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