In unserer Très Clique schreiben freie Autoren für uns über das, was sie bewegt. Diesmal mit Kathrin, die über ihre Liebe zu Hamburg schreibt. ⚓️❤️
Das Jahr hat gerade angefangen und ich sage euch, es ist wettertechnisch ziemlich ungemütlich in Hamburg. So wird es wohl nicht nur in der Hafenstadt sein, doch ich frage mich zwangsläufig, warum halte ich diese stürmischen Nächte, die dank der Eiswinde vor meinem Fenster entstehen, aus? Warum dauert es noch mindestens fünf Monate, bis ich meine Winterjacke für (nur) etwa vier Monate wegpacken werde? Und warum bin ich trotz allem glücklich, wenn ich klitschnass vom seitlichen Regen nach Hause komme? Ich denke an einen Moment des Spätsommers zurück:
Ich bin 2.290 Kilometer von zu Hause entfernt, schaukle bei 18 Grad auf der Luftmatratze hin und her und warte bis die Sonne endlich hinter dem griechischen Horizont untergegangen ist. Es ist nicht warm, doch es ist egal. Meine Füße baumeln im Meer und als ich glücklich in ein Handtuch gehüllt und bibbernd zu meinem Bungalow zurücklaufe, werde ich von den deutschen Urlaubsnachbarn angesprochen: „Du kommst bestimmt aus Norddeutschland.“
Ich verspreche euch vorab, ich habe keine HSV-Flagge gehisst oder St.Pauli-Parolen vor meinem Bungalow zum Besten gegeben. Als wir uns unterhalten stellt sich heraus, sie kommen selbst aus einer Stadt im Nordwesten Deutschlands und schwärmen für Hamburg.
Der Liebe zu dieser Stadt, bin ich schon in den unterschiedlichsten Regionen Deutschlands begegnet. Wer einmal im Venedig des Nordens war, fängt wohl zwangsläufig an, für die Stadt zu schwärmen.
Beim Abendessen zwischen all den unterschiedlichen deutschen Akzenten horche ich automatisch nach plattdütsch und frage ich mich, was ist eigentlich so toll an Hamburg?
Obwohl ich vorher niemanden in dieser Stadt kannte, bin ich immer wieder froh den Umzug gewagt zu haben. Nun lebe ich seit über sieben Jahren hier und kann mich an nur eine Woche erinnern, in der ich großes Heimweh hatte. Wegen akuter Sehnsucht nach dem Witz und Sarkasmus der Ruhrgebietsmenschen. Etwas, nachdem man in Hamburg länger suchen muss. Damals habe ich diese Eigenschaften so sehr vermisst, dass ich überlegte zurückzugehen. Doch ich blieb, wartete ab, fand sie auch im Norden und habe es nie wieder bereut.
Am nächsten Urlaubsmorgen steht auf einer deutschen Zeitung am griechischen Kiosk: „111 Gründe, Hamburg zu hassen“ – so der Titel eines Buches. Ich erschrecke kurz, was ist denn da los, MUSS ich mich nun mit diesem Thema auseinandersetzen oder sieht man einfach immer, was einen beschäftigt?
Ich denke in jedem Fall wieder darüber nach, warum ich diese Stadt liebe. Kann ich es in nur eine Antwort packen? Sämtliche schöne Orte sind aufzählbar, doch darum geht es eigentlich nicht. Die schönste Stadt Deutschlands zu sein, dies behaupten auch Köln oder München von sich. Und dass es hier schöne Ecken gibt, hat uns das Stadtmarketing so oft erzählt, auch die New York Times weiss es mittlerweile. So haben sie Hamburg auf Platz 10 (von 52) der „Places to be 2017“ gesetzt.
Nachdem ich mit diesen Gedanken an einem nichtdeutschen Strand liege, möchte ich behaupten, es gibt noch einige andere Städte auf der Welt, die unfassbar schön sind. Der Eine mag Berge, die Andere Wasser. Ich bin trotz der ganzen Touristen, die sich am Hafen an Hamburg-Käppis und -Pullis vorbeidrängeln, gern dort und schau auf das Wasser und die Besucher. Ich freue mich, dass so viele Menschen zu Besuch kommen und sich an den Barkassen, Lastschiffen und Kreuzfahrtdampfern erfreuen.
Ich muss nicht, doch ich kann hier am Hafen sein und genau dieses einfache Gefühl macht für mich die Stadt aus: Ich muss nicht, doch ich kann. Ich muss nicht zu den touristischen Großveranstaltungen der Stadt, doch ich kann. Ich mag kein Astra, doch ich kann eine Apfelschorle trinken, während mein Gegenüber sein Lebensgefühl mit diesem Bier aus Hamburg zelebriert.
Ich muss in Hamburg nicht alles gut finden. Jeder hat hier etwas, gegen dass er ist: War es Olympia, ist es das (noch nicht) begrünte Dach auf dem Feldstrassenbunker oder einfach nur die Hafencity.
Es ist so alles so nah, Kunst, Kultur, Street Art, Kiez, Klassisches, Neues. Man kennt sich und lässt sich doch immer wieder von Neuem beeinflussen. Die Offenheit in Verbindung mit der Sturheit passt irgendwie nicht zusammen, ist jedoch typisch.
Typisch für die Sturheit ist zum Beispiel: Es gibt so vieles auf der nördlichen Elbseite, was einen Besuch begründen würde und doch waren viele Menschen bislang noch nie in Wilhelmsburg. Es wird als zu weit weg bezeichnet und würde zu lange dauern. Trotzdem stellen sich die Menschen ohne Murren in den Stau auf die Elbchaussee, um sich einen freien Zentimeter am Elbstrand zu suchen. Der Beachclub in Harburg liegt an einem weiteren Hafen und einer ausgebauten Fahrradstrasse. Die Schickeria findet sich dort nicht ein, doch nette Menschen allemal.
Trotz all der Unterschiede, die schon aufgrund der Stadtteile personifiziert werden könnten, gibt es das schlichte Wir-Gefühl. Es ist kleinstädtisch hier in Hamburg. Und doch ist es das Tor zur Welt. Das lieben Besucher, Quiddjes und Hamburger.
Hier kann Jeder gut sein und deswegen lässt es sich hier gut leben.
Ein Text von Kathrin Wittich vom Blog kathrynsky.de