Was kommt euch als erstes in den Sinn, wenn ihr an „Game of Thrones“ denkt? Drachen? Sex? Gewalt? Sexuelle Gewalt an Frauen? Das trifft es wohl ganz gut. Und wenn man über kürzlich getätigte Aussagen von Regisseur Miguel Sapochnik nachdenkt, wird sich das wohl auch in „House of the Dragon“ nicht ändern. Gut, vieles davon war ja zu erwarten, immerhin erzählt die Serie die Geschichte der Targaryens Jahrhunderte vor den Ereignissen in GoT. Da sind Drachen und Co. natürlich Programm. Und das lieben wir. Aber hätte man dieses Mal nicht auf Vergewaltigungsseznen verzichten können? Offenbar nicht. Denn laut Sapochnik würde „House of the Dragon“ zwar generell weniger Sex auf die Leinwand bringen (das kommt überraschend), dafür aber weiterhin sexuelle Gewalt abbilden. „Man kann die Gewalt, die von Männern in dieser Zeit gegen Frauen ausgeübt wurde, nicht ignorieren“, so der Showrunner gegenüber dem Hollywood Reporter. Man wolle das Thema aber weder „herunterspielen, noch glorifizieren“, heißt es weiter.
Alles klar, wir lassen das mal kurz auf uns wirken. Der Ansatz ist also, ein möglichst realistisches Bild „dieser Zeit“ darzustellen. Also einer Zeit, in der man auf Drachen durch die Gegend fliegt… 🙂. Das zum Thema Realismus. Aber selbst wenn man das mal ausklammert und historisch betrachtet nun vielleicht vom Mittelalter ausgeht (wo das GoT-Universum in der Story ja doch die meisten Parallelen aufweist), hinkt der Punkt immer noch etwas. Denn natürlich waren Vergewaltigungen und Gewalt an Frauen während den damaligen Kriegen und Thron-Gefechten dieser Zeit Realität, nur waren sie das auch vorher schon. Und sind es bis heute (auch wenn sie mittlerweile, anders als damals natürlich, eine Straftat sind). Was wir damit sagen wollen: Vergewaltigungen sind nicht spezifisch für eine gewisse Zeit. Es gab sie immer und wird sie wahrscheinlich auch immer geben. Nur haben sich die Umstände geändert. Da hätte man in „House of the Dragon“ also doch auch einfach mal darauf verzichten können, ohne hier unbedingt ein realistisches Bild zu verfälschen, oder?!
Vor allem, wenn man bedenkt, dass wir hier eben, genau wie bei GoT, eben doch einfach von Fantasy sprechen. Den Machern ist es also selbst überlassen, was sie da auf die Leinwand bringen. „Es ist eine Fantasiewelt, richtig? Wenn du dir eine Welt mit Drachen vorstellen kannst, warum dann keine Welt ohne Vergewaltigung“, fragte sich in dem Kontext auch ganz passend Kim Snowden (PhD), Professorin für feministische Medienwissenschaft an der University of British Columbia, im Interview mit Refinery29. Ja, genau das ist hier die Frage: Warum? Tja, vielleicht aus Bequemlichkeit? Und weil es eben super easy ist, Vergewaltigungen als Aspekt der Charakterentwicklung zu nutzen? Was halt mega fragwürdig ist!! Aber das knallt bei den Zuschauer:innen natürlich rein – ohne viel drumherum erzählen zu müssen.
Das beste Beispiel ist Sansa Stark, die in der fünften „Game of Thrones“-Staffel nach ihrer Zwangsheirat mit Ramsay Bolton mehrfach brutal von ihrem Ehemann vergewaltigt wird. So, und diese Szenen haben die Autoren David Benioff und D.B. Weiss letztlich dafür genutzt, um zu zeigen, wie Sansas Charakter daran gewachsen ist. Sie selbst sagt ja sogar in einer Szene, dass sie ohne Ramsay und ihr Leid „ein kleiner Vogel geblieben“ wäre. Und das impliziert doch wiederum, dass sie nie die starke Frau hätte werden können – ohne diese „charakterformende Vergewaltigung“, wie einige Medien es damals auch ganz passend genannt haben. Und das ist ja wohl äußerst problematisch und erweckt den Anschein, dass Missbrauch und das Überwinden eines Traumas am Ende den Charakter formt.
„Die Tatsache, dass wir immer darauf zurückkommen müssen, um zu beweisen, dass Frauen es wert sind, wo sie hingekommen sind, weil sie dieses traumatische Ereignis in ihrer Vergangenheit durchgemacht haben, sagt nichts über diese Macht aus. Alles, was es tut, ist, diese Taten zu verherrlichen und diese Geschichte um Frauen mit Macht zu erschaffen, die immer untergraben werden muss“, sagt auch Snowden weiter.
Und das ist doch – jetzt mal ganz plump gesagt – einfach nur scheiße. Als wäre Sansa eben nur dort, wo sie am Ende ist, weil sie das alles erlebt hat. Als müsse sie Ramsay quasi noch dankbar dafür sein. Und dass „House of the Dragon“ mit seinen weiblichen Hauptdarstellerinnen, die in der Serie um den Eisernen Thron (auf dem man eigentlich nur Männer sehen will) kämpfen, nun offenbar wieder mit Vergewaltigungen spielen, wirkt nicht gerade weitergedacht. Obwohl man an dieser Stelle natürlich sagen muss, dass die „House of the Dragon“-Macher die Sache ja vielleicht auch besser gemacht haben. HBO-Content Chef Casey Bloys zumindest sagte im Interview mit dem Hollywood Reporter: „Shows sind ein Produkt ihrer Zeit und es gibt jetzt viel mehr Bewusstsein darüber, was wir zeigen und warum“. Und wir können nur hoffen, dass sich die „House of the Dragon“-Macher das zu Herzen genommen haben und die Vergewaltigungsszenen in der Serie erzählerisch nicht wieder nur dazu genutzt werden, um irgendeinen Standpunkt in der Charakterentwicklung einer weiblichen Figur klarzumachen. Das hat dann nämlich auch nichts mit realistischen Darstellungen zu tun.
Wenn Sex- und Vergewaltigungsszenen, dann nur aus einem „überzeugenden Grund“
Viel kann man dazu aktuell natürlich noch nicht sagen. Mittlerweile lief jedoch bereits die erste Folge (nach der beschäftigt uns aber mehr diese brutale Geburtsszene 🤯), allerdings äußerten sich die Macher nun schon in einem weiteren Interview zu Sapochniks oben erwähnten Worten. „Ich denke, dass etwas falsch gemeldet oder falsch konstruiert wurde. Wir sind uns der Zeit, in der wir leben, sehr bewusst“, so Showrunner Ryan Condal im Interview mit Popsugar. „Wir sind uns sehr bewusst, wie anders die Welt heute ist im Vergleich zu vor 10 Jahren, als die ursprüngliche Show Premiere hatte“. Außerdem sei man an die Szenen im Prequel völlig anders herangegangen, alleine schon weil die Geschichte eine komplett andere sei. Was nicht bedeutet, dass man auf die Szenen verzichtet habe. „Es ist ‚Game of Thrones‘. Es gibt Sex und Gewalt als Teil der Geschichte. Die besondere Art und Weise, wie wir es in dieser Zeit angegangen sind, besteht darin, sicherzustellen, dass immer, wenn wir irgendeine Art von Sex oder Gewalt auf der Leinwand haben, es einen überzeugenden Grund dafür gibt, und dass es eine Geschichte gibt, die erzählt werden muss. Es wird nicht grundlos (…) gemacht“, so Condal. Wie gesagt, der Grund darf bitte nur nicht darin bestehen, hier irgendeinen Charakter zu formen. Davon haben wir nach GoT genug. Sapochnik ergänzte in dem Zuge noch: „Ich denke, man sollte unerschrocken sein, wenn es darum geht, sexuelle Gewalt darzustellen.“ Und das vor allem wegen des Themas selbst. Dann schauen wir mal, wie das in den weiteren Folgen so umgesetzt wird…
„House of the Dragon“ läuft ab dem 21. August immer wöchentlich bei HBO und zeitgleich auch bei Sky (beziehungsweise einen Tag später auf WOW).