Vor einigen Jahren passierte es – eine Freundin wandte sich panisch (pAnIsCh!!!) an mich mit einem Anliegen: Ihr Tampon war ihr zu weit hochgerutscht (ich hab nie gefragt, wie). Inklusive Rückholbändchen. Und während sie mich mit Augen voller Verzweiflung anstarrte und unruhig war wie ein kleines Kind, das kurz davor ist sich in die Hose zu pinkeln, dämmerte mir ganz schnell, welche Rolle ich dabei spielen sollte: Ich musste das verdammte Ding da rausfischen. Bock gehabt? Ne – aber Frauen müssen zusammenhalten, also bettete ich sie vor mir, zog ihre Beine auseinander und ging mit Handy-Taschenlampe bewaffnet auf Tauchgang. Hab mich bisschen gefühlt als müsse ich für die CIA eine Bombe entschärfen. Aber, Fingerfertigkeit 1A – der Tampon war draußen, ebenso wie das letzte Bisschen Schamgefühl unserer Freundschaft. Doch spätestens DA kam ich NICHT umher mich zu fragen: Wer, bitte, wird freiwillig Gynäkolog*in???
Nun ja – Frau Dr. XY ist eine. Und ich hab sie anonym in die Mangel genommen, weshalb ihr leider nie erfahren werdet, wer diese wirklich, wirklich coole Frau ist. Hehe. Ich habe ihr Fragen gestellt, die ungefähr so unangenehm sind wie Scheidenpilz. Oder bakterielle Vaginose. Seid ihr bereit? Ihr seid es nicht. Geht trotzdem los!
Eine Gynäkologin spricht Klartext
1. Erste und grundlegendste Frage: Warum wird man ausgerechnet Frauenärztin?
Frauen sind toll, sie halten die Gesellschaft zusammen, auf ihnen lastet alles. Mich fasziniert an meinem Beruf der Frauenärztin nicht nur der medizinische, sondern auch der gesellschaftspolitische Aspekt. Frauen-Gesundheit ist fest verwoben mit der Position der Frau in der Gesellschaft. Je besser die Frau in der Gesellschaft gestellt ist, desto besser die gesundheitliche Versorgung der Frau. Gespart wird häufig an Frauen oder Kindern, daher fühle ich mich als Advokatin der Frau, medizinisch und gesellschaftspolitisch. Außerdem machen Frauen keine blöden Sprüche, wenn man sie untersucht.
(Ok, eigentlich kommentiere ich hier nicht, aber… was für eine Bossb*tch-Antwort???)
2. Wie viel verdienst du?
Als Frauenärztin verdient man zwischen 50.000 und 300.000 Euro Bruttojahresgehalt, je nachdem, wo man arbeitet, ob man angestellt ist oder selbstständig. Ich verdiene 150.000 € im Jahr.
3. Fühlt es sich geil an, einen Doktortitel zu haben?
Ist ganz okay, aber geil nicht.
4. Sind Frauen die besseren Frauenärzte?
Ich denke schon, dass Frauen die besseren Frauenärztinnen sind, denn sie können sich in gewisse Situationen und Erkrankungen direkt hineinversetzen. Mich wundert es immer, wenn männliche Frauenärzte schwangeren Frauen erklären, wie das mit der Schwangerschaft und Geburt ist und was man da machen muss und vor allem darüber entscheiden und richten, ob eine vaginale Geburt oder ein Kaiserschnitt besser für sie sei.
5. Was war das Ekligste, das du je bei einer Untersuchung erlebt hast?
Jahre lang vergessene Dinge in der Vagina! Die sind mega unangenehm, denn sie riechen übel. Wenn man lange Zeit Dinge in der Vagina vergisst, dann werden diese von Bakterien besiedelt und das kann sehr unangenehm sein – für die Frau und die Untersucherin.
6. Welche Gegenstände hast du in Vaginas denn schon gefunden?
In der Vagina findet man alles mögliche, zum Beispiel Kondome, Tampons, Billardkugeln, Dildos, andere Sex Toys, Flaschen, Deckel, Gemüse… Es gibt wenig, was nicht schon in der Vagina gefunden wurde.
7. Wie oft musst du vergessene Tampons rausfischen?
Ziemlich oft.
8. Ekelst du dich generell vor manchen Patientinnen und ihrem Intimbereich?
Extrem selten. Mich kann in diesem Bereich eigentlich nichts schocken. Meistens sind das dann eher verwahrloste Menschen, die insgesamt lange keine Körperhygiene durchgeführt haben und nicht nur an der Vulva mal eine Körperpflege gebrauchen könnten, sondern am ganzen Körper. Ich erinnere mich aber nicht mehr an das letzte Mal, dass ich jemanden wirklich ernsthaft unhygienisch fand.
9. Siehst du anhand der Vagina oder des Anus, ob eine Frau viel oder wenig Sex hat?
Meistens lässt sich anhand des Aussehens von Vagina oder Anus nicht, wie viel Sex jemand hat, es sei denn, es werden regelmäßig spezielle Sexpraktiken angewandt. Zum Beispiel Fisting oder das Einführen von großen Gegenständen, vaginal oder anal. Das dehnt dann doch etwas aus.
10. Achtest du auf Dinge wie Unterwäsche, Gerüche und Co.?
Nein, ich achte auch nicht darauf, ob jemand rasiert ist, oder so. Genau genommen vergesse ich das Äußere der Vulva nach der Untersuchung sofort wieder und kann mich beim besten Willen hinterher nicht mehr dran erinnern, selbst dann, wenn ich wollte. Gerüche nehme ich extrem selten war, dazu bin ich nicht nah genug dran. Unterwäsche ist medizinisch nicht relevant, daher für mich uninteressant.
11. Warst du schon mal neidisch auf das Aussehen einer anderen Vulva?
Nein, ich habe höchstens gelernt, dass es verschiedene Formen der Vulva gibt und alle auf ihre Art einzigartig und schön sind.
12. Bist du besser im Bett, weil du die Anatomie der Frau so gut verstehst?
Es hilft, die Anatomie besser zu verstehen, wenn man Frauenärztin ist, das ist bestimmt für den theoretischen Teil beim Sex unterstützend, aber Sexualität hat ja sehr viel mit Gefühl und Intuition zu tun und damit, sich aufeinander einzulassen. Viel mehr als pure Theorie.
13. Wird der Sex manchmal auch „entzaubert“, weil du ihn durch die Augen einer Gynäkologin siehst?
Bevor ich mich für den Beruf der Frauenärztin entschied, befürchtete ich, dass dadurch, dass man ständig Geschlechtsorgane sieht, Sexualität entzaubert wird oder weniger aufregend. Das hat sich erfreulicherweise nicht bestätigt.
14. Hast du Praxis-Instrumente schon mal im privaten Schlafzimmer genutzt?
Nein, ein gynäkologisches Instrument habe ich noch nie in meine Sexpraktiken eingebaut. Mir wäre das persönlich zu unsexuell. Es gibt aber natürlich Leute, die gynäkologische Instrumente nutzen und sich damit und dadurch penetrieren. Dazu gibt’s so einige Pornofilme.
15. Was war der dümmste Spruch von einem Mann, wenn du erwähnt hast, dass du Frauenärztin bist?
„Darf ich zugucken?“, „Darf ich da mal mitmachen?“, „Wow, du hast ja mehr Vulvas angefasst als ich, das will was heißen!“, „Kann ich mit dir schlafen?“.
16. Das Skurrilste, womit jemals eine Patientin zu dir kam?
Als Frauenärztin bin ich einiges gewöhnt und wenig wundert mich. Leicht skurril ist es aber schon, wenn die Frau erzählt, an welchem Tag sie mit wem Sex hatte und man dann anfängt zu überlegen, wer jetzt von all den Menschen jetzt der Vater des Kindes sein könnte.
17. Wie oft wenden Frauen sich an dich mit der Angst, eine sexuell übertragbare Geschlechtskrankheit zu haben?
Relativ viele haben Angst davor, sich angesteckt haben. Es gibt aber auch beträchtlich viele Frauen, die überhaupt gar keinen Sex mehr haben, womit sich das dann auch erledigt hat.
18. Wie oft dreht ihr den Patientinnen leichtsinnig die Pille an? Z.B. aus Bequemlichkeit?
Das kann schon mal passieren. Die Pille ist allerdings auch eine sehr bequeme Art und Weise, den Frauen zu helfen. Für die Frauen und die Gynäkologin*innen. Wenn man die Pille nimmt, muss man nicht viel nachdenken, das gilt für beide Seiten, Ärzt*innen und Patientinnen. Man macht kein Geld, wenn man die Pille verschreibt, es ist allerdings weniger aufwändig das zu tun, als eine ausführliche Verhütungsberatung durchzuführen. Daher ist es wohl ein Reflex von vielen Frauenärzten. Mit anderen Worten: eine ausführliche Verhütungsberatung wird nicht adäquat vergütet, daher sind einige von uns dafür nicht besonders motiviert.
19. Hast du schon mal Fehldiagnosen gestellt?
Auf jeden Fall habe ich mich schon geirrt und falsche Diagnosen gestellt, das passiert allen Ärzt*innen. Gut ist, wenn man es merkt und daraus für das nächste Mal lernt.
20. Was ist das Ätzendste an deinem Job?
Krebs, den ich nicht besiegen kann.