Hallo, du.
Mein Verhältnis zu dir ist eine absolute Hass-Liebe. Gerade überwiegt der Hass mehr, da du mir Schmerzen bereitest und ich wegen dir deutlich leichter aus der Ruhe zu bringen bin als sonst. Kennengelernt habe ich dich mit gerade mal süßen 11 Jahren. Ich erinnere mich als wäre es gestern: Ich war für einen Sprachkurs in England und du hast mich mitten im Unterricht überrascht. Nicht gerade der ideale Zeitpunkt – falls es diesen überhaupt gibt. Nach einem panischen Anruf an meine Mom – „Jetzt bist du biologisch eine richtige Frau, Schatz“ – stapfte ich dann also fest entschlossen zur nächsten Drogerie, um die Situation irgendwie zu handeln.
Von da an folgte eine ganz schön kniffelige Zeit, denn mit dem Erwachsenwerden verändert sich der Körper, und daran muss man sich als junges Mädchen erstmal gewöhnen. In meinem Fall waren es leider nicht die Brüste die größer wurden, sondern die Pickel in meinem Gesicht. Und die Schmerzen in meinem Unterleib. Wenn ich heute 10 Jahre zurückblicke, ist es erschreckend, wie leichtsinnig mir die Gynäkologin dann bei meinem ersten Termin direkt die Pille als naheliegendste Lösung verkauft hat. Aufregend, ich nehme die Pille, während alle meine Freundinnen noch weit davon entfernt sind! Meine Haut wurde in den Folgemonaten besser, ja. Auch die Krämpfe jeden Monat milder. Und trotzdem habe ich die Zeit mit dir immer mehr verflucht. Aber überspringen wir mal die nächsten 8 Jahre, in denen mich die Pille rückwirkend betrachtet zu einer deutlich schlechteren Version meiner selbst gemacht hat. Gott sei dank habe ich – und viele andere Frauen – sie mittlerweile abgesetzt. und bin wieder ich selbst.
Wenn ich heute so darüber nachdenke, was ich mit dir alles erlebe, kommen mir schlagartig etliche Gedanken in den Kopf. Vielleicht fühle ich dich und alles was du mit mir machst etwas intensiver als andere Frauen. Für mich bedeutest du körperlich und emotional eine Zeit von stetiger Veränderung. Im einen Moment geht es mir sehr gut, im nächsten komme ich total ins Schleudern. Im einen Moment bin ich quietschfidel, im nächsten fühle ich mich fast krank.
Ich kann dich durch die Einnahme von Hormonen zeitlich zwar nicht mehr genau steuern, trotzdem kündigst du dich immer ziemlich exakt 5 Tage vorher mit Heißhunger, extremen Stichen in die Brust, einem unangenehmen Ziehen in den Nieren und meistens einem sehr großen, sehr unschönen Pickel (zentral) im Gesicht an. In diesen 5 Tagen bin ich definitiv näher am Wasser gebaut als es eigentlich meiner Natur entspricht, ich bin dann besonders empfänglich für die Schwingungen meiner Mitmenschen und mich können kleinste Disharmonien schon aus der Ruhe bringen. Einerseits wäre ich am liebsten alleine, auf der anderen Seite habe ich ein extremes Bedürfnis nach Zuneigung. Ein richtiger Zwiespalt. Wenn du dann endlich da bist – irgendwie schaffst du es trotzdem, mich zu überraschen – bin ich erstmal erleichtert. Weil ich weiß, dass du bald wieder weg bist.
Manchmal halte ich dich kaum aus
Dann habe ich circa einen Tag den Luxus einer leichten Blutung, bevor der ganze Spaß so richtig losgeht. Wie ich Frauen beneide, die sich mit ein paar Slipeinlagen und einem gelegentlichen Tampon zufrieden geben können. Ich hingegen darf mir die ein oder andere Nacht einen Wecker stellen, weil ich so stark blute, dass ich den Tampon alle paar Stunden wechseln muss. Mein Unterleib fühlt sich an, als würde in ihm der dritte Weltkrieg herrschen. Ich fühle mich fett, aufgebläht und hässlich. (Natürlich weiß ich, dass ich das nicht bin, aber du lässt mich eben oft irrational denken.) Es nervt, mir ständig Sorgen machen zu müssen, ich könnte durchbluten. Wie oft ich schon mein Bettlaken wechseln musste, weil ich morgens einen Fleck auf dem Stoff hinterließ. Diese Tatsache ist für sich alleine schon ätzend, aber vielfach ätzend, wenn man die Nacht nicht alleine verbracht hat. Man kann sich vielleicht ausmalen, dass einen das nicht unbedingt zur sexiest woman alive macht. Außerdem könnte ich die ganze Zeit fressen, echt. Ich könnte alles Essbare in mich reinschaufeln, was sich in meiner näheren Umgebung befindet. Was sich nicht gerade mit meinem generellen Vorhaben, ein durch gesunde Ernährung dominiertes Leben zu führen, deckt (primär meiner Gesundheit zuliebe, hier geht es mir nicht mal nur um die Auswirkungen auf mein Äußeres).
Und das Prägnanteste, wie auch eben schon gesagt: Du machst mich unglaublich sensibel und verletzlich. Als würdest du mir einmal im Monat eine Schutzschicht (von den 10, die ich habe) nehmen und mich ein kleines bisschen fragiler machen. Das heißt nicht, dass ich auf einmal jegliche Sozialkompetenz verliere und hysterisch auf meine Mitmenschen reagiere. Aber eben, dass mich manchmal ein Hundewelpe im Fernsehen schon zum Flennen bringt. Ja, ich komme mir dabei selbst dumm vor, versprochen. Und nein, ich bin keine Frau, die „im Normalzustand“ schnell einfach mal rumheult, ganz im Gegenteil. Ich beherrsche die Fähigkeit, meine Emotionen nach außen hin zu kontrollieren oder zu verstecken wie keine andere – nur fällt mir das mit dir deutlich schwerer, und das strengt mich an. Um ehrlich zu sein, manchmal halte ich dich kaum aus.
Vor ein paar Wochen hatte ich während meiner Tage einen Gedankenanflug und postete ihn in meiner Instagram-Story, nachts um halb 5 auf meiner Terasse in Griechenland, weil ich wegen starker Krämpfe einfach kein Auge zubekommen habe. Ich schrieb:
„Worüber man hier auf Social Media kaum spricht: Periodenschmerzen. Man sagt uns so oft, dass wir uns in dieser Zeit des Monats nicht benehmen sollen wie Mädchen. Ganz ehrlich, es kann richtig schlimm sein. Man kann nicht schlafen und keine Tablette hilft. Besonders, wenn man eine starke Blutung hat. Und das sollte auch kein Tabuthema sein. Ich bin trotz allem dankbar für diesen natürlichen Kreis des Lebens, der meinen Körper und meine Seele reinigt. Nächstes Mal, wenn eure Freundin, Frau, Mutter oder Schwester über ihre Menstruationsschmerzen beschweren, lächelt es nicht einfach weg. Zeigt ein bisschen Respekt.“
Genau das ist die Message, die ich anderen im Bezug auf dich gerne weitergeben würde. Dich nicht zu tabuisieren, nicht zu degradieren, sondern einfach offen anzunehmen und zu respektieren.
Und trotz alledem, trotz all den lästigen und beschwerlichen Aspekten, die du so mit dir bringst, möchte ich dir trotzdem auch noch etwas anderes sagen: Danke.
Ich kann trotz allem das Schöne in dir sehen
Ja, wirklich. Das klingt jetzt vielleicht für viele absurd. Aber ich habe in letzter Zeit gelernt, meinen Blickwinkel auf dich zu verändern und dich nicht nur als monatliche Qual zu sehen. Stattdessen habe ich die Zeit, in der du da bist, als eine Art Ritual kultiviert. Denn ich plane für dich jetzt aktiv Tage ein, in denen ich mir das zusätzliche Maß an Pflege und Aufmerksamkeit gebe, das ich brauche. Ich nehme mir Zeit für mich, gehe verstärkt behutsam mit mir um und tue meinem Körper und meinem Geist Gutes.
Gutes, frisches Essen. Auch mal eine fette Pizza für die Seele. Ganz viel Tee. Ein Buch lesen, ohne mich anderweitig abzulenken. Zuhause bleiben, unter eine Decke kuscheln. Auf einem Wärmekissen liegen. Den Schmerz nicht nur aushalten, sondern ihn bewusst fühlen. Warum? Weil er eigentlich ein Geschenk ist. Etwas Reinigendes. Der Körper stößt in dieser Zeit etwas aus, das er nicht braucht. Mal so ganz grob runtergebrochen. Er tut also das ganz automatisch und in regelmäßigen Abständen, was wir Menschen in unserem Leben mal viel öfter tun sollten: aufräumen, loslassen. Von Menschen, Angewohnheiten, Verhaltensmustern und Besitztümern, die giftig für uns sind. Weg damit! Auch wenn sich dieser Prozess erstmal unangenehm anfühlt, danach fühlt man sich wortwörtlich leichter. Das betrifft wirklich alles im Leben.
Außerdem, du machst mich zur Frau. Du lässt mich meinen Körper intensiver denn je spüren und zwingst mich, mich mit ihm und meinen Bedürfnissen auseinanderzusetzen. So viele Mechanismen in mir müssen funktionieren, damit du Monat für Monat zustande kommst – und das ist ein kleines Wunder, oder?
Für mich bist du ein Wunder. Ein verdammt lästiges Wunder, aber ein Wunder.