„S***! Warum habe ich das nur vorgeschlagen?“ denke ich keine fünf Stunden nachdem ich diesen Selbstversuch begonnen habe. Mein Mann möchte nämlich Gotham gucken. Ich auch. Aber ich darf ja nicht.
In diesem Moment wird klar: Ich bin ein Junkie. Total abhängig. „Was soll ich denn jetzt heute Abend machen?“ höre ich mich in weinerlichem Ton sagen. Als ich das leicht amüsierte Gesicht meines Mannes sehe, verschwinde ich stumm im Schlafzimmer. Irgendwo war doch noch ein Buch, dass ich unbedingt lesen wollte… Bevor ich uneingeschränkten Zugriff auf OITNB, Jessica Jones, Lillehammer, Brooklyn 99, House of Cards, Orphan Black, Narcos und Better call Saul (diese Liste lässt sich endlos weiterführen!) hatte, habe ich übrigens mal richtig viel gelesen, fällt mir auf. Naja, glücklicherweise gibt es gerade nicht viel Neues bei Netflix, das ich unbedingt sehen möchte. Puh.
Ein paar Tage zieht mein Mann fleißig mit. Wir gehen abends essen, wir unterhalten uns, wir lesen. Es läuft. Meine Regeln habe ich mir selbst etwas aufgeweicht: Ich darf Tagesschau gucken oder den Film, den meine Freundin mir neulich auf DVD geschenkt hat. So überstehe ich die ersten zehn Tage mit latent schlechter Laune, aber ohne ernsthafte Entzugserscheinungen. Doch dann wird es schwierig.
Am elften Tag eskaliert das Ganze. Wir gucken Netflix auf dem Fernseher, der steht im Wohnzimmer. Ich höre meinen ansonsten extrem friedlichen Mann in leicht aggressivem Ton sagen: „Okay, wenn du nicht gucken möchtest, dann musst du jetzt rausgehen“. WIE BITTE? Von „nicht wollen“ kann hier nicht die Rede sein. Ich bin sauer! Aber es war klar, eigentlich ist er noch schlimmer als ich, er guckt sogar mexikanische Dramedyserien, die sonst kein Mensch kennt. Eigentlich ist er an allem schuld. Ich bin frustriert – und er bekommt es ab.
Damit dieser Versuch nicht zu einer ernsthaften Beziehungskrise führt, mache ich mir ein Programm: Ich verabrede mich, bade oder lese. Ein paarmal gehe ich extrem früh ins Bett – und nehme meinen Mann einfach mit. Vielleicht ist dieser Versuch doch gut für unsere Beziehung? Netflix & Chill (SEX also!) funktioniert bei mir nämlich nicht. Wenn ich etwas gucke, will ich es gucken – und nicht dabei irgendwas anderes machen. Früh schlafen gehen kann ich auch nie mitten in einer Serie, insofern ist das hier von Vorteil für meinen Teint. Aber es gibt noch einen Nebeneffekt.
Ich kann es kaum fassen: Dieser Versuch ist gut für die Figur! Ich esse anscheinend weniger, wenn ich kein Netflix gucke. Nach 28 Tagen habe ich zwei Kilo abgenommen. Ohne irgendwelche Extramühen. Das versöhnt mich total und lässt mich die letzten beiden Tage locker überstehen.
Mein Fazit: Ich kann tatsächlich ohne Netflix leben! Allerdings will ich das auf Dauer nicht. Ich mag es zu sehr. Aber ich gucke jetzt weniger: Damit mehr Zeit fürs „Chillen“ bleibt. Und ich nicht wieder zunehme
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