Unruhig tigere ich vor dem Fenster auf und ab, platziere mich auf der Fensterbank, starre hinaus, setze mich wieder um, verlege das Prozedere in die Küche … Immer häufiger ertappe ich mich in den letzten Monaten bei genau diesem einen Bewegungsablauf.
Ich lebe in der Großstadt, teile mir das Zimmer in einer WG mit meinem Freund – der kleine Balkon ist da aktuell wohl der größte Lichtblick. Und vor allem der einzige Rückzugsort. Aber längst nicht nur mir fällt in Zeiten des Lockdowns gehörig die Decke auf den Kopf. Wir sind es nun mal nicht gewohnt, im Haus bleiben zu müssen. Was sonst also durchaus freiwillig (und viel zu oft) passiert, wird aktuell zur größten Bürde.
Dabei kann ich mich eigentlich noch glücklich schätzen. Weil ich, im Gegensatz zu anderen Menschen, überhaupt ein Dach über dem Kopf habe. Weil ich mich in meinen eigenen vier Wänden sicher fühle. Und weil ich weiß, dass diese Vorkehrung notwendig ist … und irgendwann wieder ein Ende finden wird.
Mit diesen Gedanken kann ich mich oftmals selbst regulieren, das Engegefühl in der Brust wenigstens zeitweise ganz gut vertreiben. Und wenn dann doch mal gar nichts mehr geht? Mache ich eben einen Spaziergang um den Block.
Die Isolation setzt uns allen zu
Vielen Menschen geht es da wohl ähnlich wie mir. Vielleicht ist genau das auch der Grund dafür, warum uns Bilder von eingesperrten Tieren gerade so viel härter treffen, als jemals zuvor. „Wenn es euch schon nach wenigen Tagen der Isolation so ergeht, wie sollen SIE sich dann fühlen?“
Dieser Satz begegnet mir immer häufiger in meinem Feed. Und JA (verzeiht mir den Schlag in die Fresse), vielleicht braucht es manchmal einen solchen schmerzhaften Vergleich, um über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Um mit der ansteigenden Empathie endlich auch mal in andere hineinzufühlen: Diese Tiere verbringen ihr ganzes Leben in Gefangenschaft. Eingesperrt auf engstem Raum. Im Zoo, Aquarium, der Mastanlage, dem Zirkus. Sie alle werden schon lange zum Vergnügen der Menschen gehalten – und sind darüber hinaus doch so viel mehr als das.
Wildtiere gehören nicht in einen engen Käfig. Und auch unsere sogenannten ‚Nutztiere‘ sind nur deshalb zu solchen geworden, weil wir sie mit Enge und Zucht dazu gemacht haben. Aber bleiben wir heute mal explizit beim Stichwort ‚Zoo‘. Eben jenen Einrichtungen, die aktuell, wie in Neumünster, sogar darüber nachdenken (müssen), ihre Tiere im schlimmsten Fall schlachten zu lassen (mehr dazu hier). Weil sie sich die Fütterung aufgrund der ausbleibenden Touristen schlicht nicht mehr leisten können …
Kann es aber wirklich die einzige Lösung sein, Zoos nur um der Tiere Willen weiterhin besuchen zu müssen? Sollten wir nicht vielleicht zunächst lieber das Konzept von Zoologischen Gärten ausreichend beleuchten? Genau jetzt, wo wir uns auf einmal alle so persönlich davon betroffen fühlen?
Es könnte doch tatsächlich der beste Zeitpunkt dafür sein. In diesem Sinne, here we go: Zoos, Tierparks, Aquarien begründen ihre Daseinsberechtigung hauptsächlich darin, die Artenvielfalt unseres Planet zu erhalten. Vor allem, weil sie die bereits vom Aussterben bedrohten Tiere durch regelmäßige Befruchtung und ein sicheres Umfeld vor ihrem nahenden Schicksal bewahren.
Das ist faktisch, in unserer heutigen Zeit, durchaus ein stichhaltiges Argument. Allerdings bekämpfen wir auf diesem Wege lediglich die Symptome – aber niemals den Ursprung. Dass diese Arten in ihrer Population so zahlreich schrumpfen, ist in den meisten Fällen nämlich überhaupt erst durch den Menschen verschuldet. Wir roden Wälder, jagen bedrohte Tiere, nehmen Lebensräume ein. Und sehen uns später dann trotzdem wieder als die Retter aller Existenzen an. Dabei wird eine Tierart, die in Gefangenschaft gezüchtet wird, niemals wieder dieselbe sein, die sie vorher in der Wildnis war. Zoos erhalten also Arten, ja. Sie tun es aber längst nicht nur um der Tiere Willen – sondern schlichtweg, damit wir weiter was an ihnen zu gucken haben.
Tiere in Gefangenschaft: Artenschutz oder Quälerei?
Tierschützer gehen dabei mit ihrer Formulierung sogar noch einen Schritt weiter. Vertreter von „Peta“ bezeichnen die Gefangenschaft der Tiere beispielsweise als Zurschaustellung und Isolationsfolter (mehr dazu hier).
Isolationsfolter … da war doch was. 👀 Sichtbar wird genau die vor allem an wiederkehrenden Verhaltensauffälligkeiten. Das ständige Schwenken des Kopfes etwa, ein rastloses Auf- und Ablaufen oder die extreme Apathie. Für uns als Zuschauer wirken solche Bilder fast schon normal. Dabei sprechen Zoos doch so gerne davon, den Besucher*innen mit einer authentischen Darstellung notwendiges Wissen über Wildtiere zu vermitteln (mehr dazu hier). Aber hat ein Leben in Gefangenschaft damit überhaupt noch etwas zu tun?
Während wir den Tieren abends wieder den Rücken kehren, bleiben diese ihr ganzes Leben lang dort. Ohne in freier Wildbahn auch nur überleben zu können. Wie hätten sie es auch jemals lernen sollen?
Sind Zoos nun ein Symptom – oder die Ursache?
Dass wir die Gefangenschaft von Tieren aktuell kritischer denn je reflektieren, ist also ein absolut notwendiger Anfang. Den Verantwortlichen muss schließlich klar sein, dass ihnen auf die Finger geschaut wird. Auch, damit es nicht bald zur Normalität wird, all diese Arten ausschließlich hinter Gittern zu sehen. Auch Zoos und Auffangstationen haben eine Verpflichtung. Der sie sich oftmals glücklicherweise verantwortungsbewusst zu stellen versuchen:
„Auswilderungsprogramme, internationale Naturschutzprogramme und die Wildhüter in den Heimatländern der Tiere werden von vielen großen Zoos unterstützt. Denn dass die Nachzucht und Auswilderung von bedrohten Tierarten nur Sinn macht, wenn es in den Heimatländern noch einen natürlichen Lebensraum für die Tiere gibt, ist auch den Zoobetreibern klar“, heißt es dazu in einem Beitrag von „Planet Wissen“.
Und genau damit kommen wir wohl auch zum entscheidenden Punkt. Zoos werden niemals vollkommen artgerecht sein. Auch dann nicht, wenn sie sich so ethisch korrekt wie möglich verhalten. Grundsätzlich muss also vor allem die Erhaltung der Lebensräume im Fokus stehen. Und daran können wir alles gemeinsam arbeiten. Im kleinen und im großen Rahmen. Indem wir unser Leben nachhaltiger ausrichten, Lebensräume achten und Ressourcen schonen. Indem wir weiter denken, als an uns selbst, bei jeder einzelnen Kaufentscheidung.
Nicht etwa „artgerechtere“ Tierstation sind nämlich von Nöten – sondern ein umsichtigerer Blick (gerade vom globalen Norden!) auf den Rest der Welt. Wir sind es schließlich, die schon bald wieder ihre Wohnungen gegen die Natur eintauschen können – wenn wir Lust darauf haben. Die Tiere dagegen werden das ihr Leben lang nicht tun. Lasst uns diese sensible Zeit also doch einfach mal als wichtigen Reminder nutzen. Um in Zukunft etwas bewusster mit uns und unserer Umgebung umzugehen. 🙏