
Während sich der erste Besuch in einem Unverpackt Laden meist noch etwas ungewohnt anfühlt, löst inzwischen kaum noch ein Geschäft mehr Vorfreude in mir aus. Nicht etwa, weil ich alle meine Lebensmittel dort kaufen würde (I Wish!), sondern vor allem, weil ich die ruhige Stimmung so sehr zu schätzen weiß. Alles scheint entschleunigt, lässt mich durchatmen und stöbern. Wer einmal das Prinzip dahinter verstanden hat, kann in den plastikfreien Gängen definitiv fündig werden.
Ausgestattet mit Mehrwegglas in der einen Hand und Gemüsebeutel in der anderen. Kurz das Gewicht des Gefäßes abgewogen, Sticker mit der Grammanzahl darauf – und schon wandere ich von Abfüllsilo zu Bambuszahnbürste.
Doch eine ganz bestimmte Frage hat mich kürzlich ins Zweifeln gebracht… und lässt mich bis heute nicht mehr ganz los: Ist das alles denn wirklich so plastikfrei, wenn auch hier die Ware in Verpackungen angeliefert wird? Oder, noch drastischer: Macht es überhaupt einen Unterschied, ob ich die Lebensmittel zuhause selbst auspacke… oder ob das die Mitarbeitenden eines Unverpackt Ladens für mich tun?!
Spoiler Alert: Ja, es macht einen Unterschied!
Um für die nächste Diskussionsrunde dennoch bestmöglich gerüstet zu sein, kann ein wenig Hintergrundwissen sicherlich nicht schaden. Also habe ich mich an die Recherche gemacht. Und bin auf spannende Vergleichswerte gestoßen…
Auf das „Wie“ kommt es an
Was letztlich nämlich den größten Unterschied macht, sind Liefermengen und das Verpackungsmaterial. Unverpackt Läden haben die Möglichkeit, bei Großhändler*innen einzukaufen und so für die vielfache Menge nur eine einzige Verpackung zu benötigen. Während wir für 500 Gramm Reis also immer wieder in den Supermarkt laufen, lagern dort die 20-Kilo-Säcke im großen Stil (mehr dazu hier). Ihr könnt euch entsprechend ausrechnen, wie viel Verpackung allein durch diesen Größenunterschied eingespart werden kann.
Meist wird bei der Anlieferung zudem auf Papiersäcke in großen Gebinden oder auf wiederverwendbare Kartons und Kisten gesetzt. Auch das Material macht also den Unterschied. Im Gespräch mit Shia Su, Betreiberin des Blogs „Wasteland Rebel!“, erklärt die Initiatorin von „natürlich unverpackt“ aus Münster: Ungefähr 30 Prozent der Ware kommt bei ihr noch in Plastik eingepackt. Oft ist es ein anhaltender Kampf zwischen Produzent*innen und Abnehmer*innen. Muss um die Transport-Paletten wirklich dick gewickelt Folie herum? Lässt sich die Sicherheit im LKW nicht auch durch Gitterwägen gewährleisten? Braucht es Pappe als Füllmaterial? Und müssen die Säcke nochmal extra in Kisten verstaut sein?


Der größte Reibungspunkt bleibt also die Lieferung. Doch es hat sich bereits einiges getan! Mehrwegboxen verringern für beide Seiten das Müllaufkommen. Maisstärke eignet sich ebenso gut als Puffer wie Luftpolsterfolie. Und wie immer bestimmt auch hier die Nachfrage das Angebot. Je mehr Kundschaft auf unverpackte Lebensmittel setzt – und damit den Bedarf erhöht–, desto größer wird der Einfluss von Unverpackt Läden auf die Einstellung der Großhändler*innen.
Womit wir auch schon beim wohl entscheidendsten Pluspunkt wären: dem Engagement! Oftmals steckt hinter der nachhaltigen Alternativ ein ganzheitliches Konzept, das weit über die Verpackungen hinausgeht: Wo wird der Rohstoff beispielsweise angebaut? Wie lange sind die Transportwege? Was für Arbeitsbedingungen herrschen vor? Entsprechen die Standards Bioqualität? Wie sieht der Wasserverbrauch aus? Wird fair gehandelt? Und wie bleibt der Verkauf möglichst klimaneutral…? Die meisten der Läden, die ich bisher besucht habe, kennen Antworten auf diese Fragen. Oder haben zukunftsorientierte Lösungen parat.
Auch unverpackt war mal verpackt, ABER…
Dennoch hält sich das kleine Stimmchen bei einigen sicherlich hartnäckig: „Zero Waste“ sieht ja wohl anders aus. Und ja, das tut es auch! Doch so hochtrabend dieser Social-Media-Slogan auch klingen mag – versprochen hat ihn mir über den privaten Haushalt hinaus bisher niemand. Unverpackt Läden stellen uns Lebensmittel unverpackt zur Verfügung, um Verpackungen einzusparen. Nicht, um nie wieder eine in den Händen zu halten. Dieser Gedanke wäre nobel – bleibt aber leider (noch) in weiter Ferne.
Denn gänzlich ohne Verpackungsmüll schafft auch ein solcher Laden nicht. Dafür ist meist sicher, dass das Bewusstsein für die Thematik im Mittelpunkt steht. Und der Müllanteil so gering wie möglich gehalten wird. Kein Abfall ist eben auch nicht alles. Auf die Ideen kommt es an. Und den Druck, der mehr Veränderung schrittweise möglich macht. Fragt also nach, bleibt neugierig und kritisch. Aber probiert auch aus, unterstützt und kauft ein – wenn ihr die Möglichkeit habt. Denn nur so können die Besitzer*innen weiter besser werden. Vom #LessWaste-Szenario vielleicht ja doch irgendwann noch zum #ZeroWaste-Projekt.