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Wie es ist, wenn man merkt, dass man im falschen Körper geboren wurde

Julius B. (28) fühlte sich seit seiner Kindheit im falschen Körper gefangen

„Warte, bis du in der Pubertät bist, dann ändert sich das!“ Als ich mit gerade mal sechs verkündete, dass ich lieber ein Junge wäre, nahm mich verständlicherweise niemand ernst. Das Thema Transgender wurde damals weder hinter vorgehaltener Hand, geschweige denn in den Medien diskutiert – und bis Caitlyn Jenner es auf’s Cover der Vanity Fair schaffte, sollten noch über 20 Jahre vergehen.

Für meine Umwelt war ich einfach immer die „Burschikose“, der Tomboy, der Wildfang, der mit kurzen Haaren und vom Fußball aufgeschlagenen Knien hinter seiner viel mädchenhafteren Schwester herlief. Optisch unterschied ich mich kaum von den Jungs auf dem Spielplatz, mit denen ich stundenlang Bälle schoss. Dafür traf mich die Pubertät umso härter: Plötzlich veränderte sich alles, mein Körper fühlte sich fremder an, denn je und die Hormone spielten verrückt. Ich war unendlich verwirrt, oft scheinbar grundlos traurig und wusste nicht, wohin mit mir.

Auch deshalb war der Moment, als ich zum ersten Mal etwas über das Phänomen „Transgender“ las, für mich nicht weniger als eine Offenbarung: „Die beschreiben ja mich!“, schoss es mir durch den Kopf und auf einmal – von einer Sekunde auf die

andere – machte alles Sinn. Warum ich auf Frauen stand, mich aber nie als „lesbisch“ identifizieren wollte und warum ich mich fühlte, als wäre ich im falschen Leben gefangen. Es war, als hätte mir jemand das Puzzleteil gereicht, das schon mein ganzes Leben gefehlt hatte.

Doch dieses Wissen musste ich auch erst mal verdauen. Als Erstes vertraute ich mich meiner Schwester an, die mehr oder weniger mit der Schulter zuckte und mich anguckte, als wollte sie sagen: „Erzähl mir was Neues“. Sie kennt mich in- und auswendig und war alles andere als überrascht. Schwieriger war das Gespräch mit meiner Mutter, die sich erst alles an Literatur zu dem Thema besorgte und ist mit mir zum Therapeuten gegangen. In der Sitzung weinten wir dann beide und obwohl sie mich unterstützt, ist es bis heute schwierig für sie, mit der Situation umzugehen.

Letztes Jahr habe ich dann beschlossen, Nägel mit Köpfen zu machen und endlich auch körperlich zum Mann zu werden. Normalerweise muss man mindestens ein Jahr lang in der neuen Geschlechterrolle leben, bevor eine Hormontherapie bewilligt wird, aber da ich nachweisen konnte, dass ich die Frauenrolle nie angenommen habe, wurde diese Zeit auf ein halbes Jahr verkürzt. Jetzt bekomme ich regelmäßig Testosteron-Spritzen und kann die ersten Veränderungen sehen: Meine Stimme ist viel tiefer, der Bartwuchs hat eingesetzt, und meine Körperbehaarung verändert sich. Außerdem habe ich einen Antrag auf Namensänderung eingereicht, damit auch auf dem Papier aus Juliane (meinem weiblichen Namen) endlich Julius werden kann. Die Verhandlung darüber findet noch in diesem Jahr statt.

 

» Natürlich will ich einen Penis! «
Julius B.

Körperlich ist mein größtes Problem momentan meine Brust. Zu besonderen Anlässen benutze ich einen sogenannten „Binder“, ein straffes Band, das alles zusammenquetscht und wenig komfortabel ist. Im Herbst werde ich mir deshalb die Brust operativ entfernen lassen, ich hoffe sehr, dass meine Krankenkasse die Kosten übernimmt. Und ja, ich will auch einen Penis. Leider sind wir medizinisch noch nicht so weit, dass ein „künstlicher“ Penis genau so funktioniert, wie ein natürlicher (weder Erektion noch Ejakulation sind möglich), aber für mich ist das einfach enorm wichtig. Ich freue mich darauf, endlich im Stehen pinkeln zu können und auch Sex zu haben, wie ein Mann. Aber das wird wohl noch ein bisschen dauern.

Wenn ich jemanden länger nicht gesehen habe, der mich noch als Juliane kennt, dann stelle ich mich neu als „Jules“ vor, das macht es für alle Beteiligten einfacher. Aber mein Umfeld ist zum Glück sehr tolerant. Klar gibt es auch mal doofe Sprüche, aber die muss man sich auch als Nicht-Transgender anhören. Erst letztens meinte ein Typ im Fitness-Studio zu mir: „Das könnte ich auch stemmen, wenn ich Testosteron nehmen würde“. Dabei ist mein Testosteron-Level trotz Spritzen immer noch weit unter seinem natürlichen Wert! Aber das ist nicht böse gemeint, sondern kommt einfach nur durch Unwissen. Gerade deshalb sind Frauen wie Caitlyn Jenner so wichtig, damit es einfach mehr Aufklärung gibt. Vielleicht muss ich mir dann auch nicht mehr von Kumpels anhören, dass ich bei dieser oder jener Frau keine Chance hätte, weil sie ja „auf Männer steht“. Hallo-o! Ich BIN ein Mann. Innerlich seit meiner Geburt und ganz bald auch äußerlich.

Credit: Julius B. privat

 

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